Die Chiari Malformationen Typ I (CMI) ist eine meistens angeborene strukturelle Anomalie im Bereich des Kleinhirns, Hirnstamms und am Übergang zum Rückenmark. Dabei liegen die sogenannten Kleinhirnmandeln oder Kleinhirntonsillen entweder mit oder ohne Hirnstamm mehr als fünf Millimeter tief im Rückenmarkskanal (sogenannte Kleinhirntonsillen-Ektopie).
Eine CMI kommt bei etwa 1 bis 3 Prozent der Gesamtbevölkerung vor und ist somit relativ selten.
Nur in 10 Prozent der Fälle treten Symptome auf, die eine Behandlung erfordern. 90 Prozent der CMI-Fälle sind Zufallsbefunde und benötigen keinerlei Therapie.
Die Ursachen einer angeborenen CMI sind noch nicht gänzlich geklärt. Zur Entstehung der CMI gibt es mehrere Theorien. Jedoch vermag bislang keine alle Erscheinungsbilder abzudecken. Eine der Theorien führt das Auftreten einer angeborenen CMI auf eine Veränderung im Erbgut (Mutation) während der Entwicklung des Nervensystems zurück. Diese spontane Mutation würde die korrekte Weiterentwicklung stören. Eine Vererbung wird nicht beobachtet.
Eine weitere Theorie führt die Entstehung einer CMI auf die engen Platzverhältnisse in der hinteren Schädelgrube (hinterer Bereich des Kopfes) zurück, die während der Entwicklung des Nervensystems vorliegen. Die Enge könne dazu führen, dass die dortigen Gehirnstrukturen durch die Öffnung gequetscht werden, die das Rückenmark und den Schädel verbindet (Foramen magnum).
Zu einer CMI können zudem gewisse Krankheitsbilder führen. Man spricht dann von einer sekundären CMI. Hirntumore, Hydrocephalus (Wasserkopf), Liquorverlustsyndrom (spontaner Verlust von Hirnwasser, typischerweise im Bereich vom Rücken nach einer Lumbalpunktion) und Anhaften des Rückenmarks an die umliegenden Strukturen (sogenanntes Tethered cord) können alle sekundär zu einer CMI führen. In solchen Fällen sollte die Ursache zuerst behandelt werden. Eine CMI kann ebenfalls gehäuft in Kombination mit gewissen Syndromen auftreten (Robin Sequenz, Neurofibromatose I Typ Recklinghausen und Noonan Syndrom).
Eine Syringomyelie beschreibt einen flüssigkeitsgefüllten Hohlraum innerhalb des Rückenmarks und tritt oftmals zusammen mit einer CMI auf. Sie kann aber auch durch andere Ursachen bedingt sein: infektiös, entzündlich, traumatisch oder durch einen Hydrocephalus (Wasserkopf) oder eine Raumforderung (z.B. Tumor). Die Syringomyelie im Rahmen einer CMI kommt wahrscheinlich zustande, wenn die CMI zu einem erhöhten Druck im Gehirn führt und daraufhin Hirnwasser in das Rückenmark austritt. Dieser Druck baut sich auf, wenn der Rückfluss des Hirnwassers in den Schädel am Übergang zwischen Rückenmark und Gehirn blockiert ist. Mit der Zeit wird die angesammelte Flüssigkeit in das umliegende Gewebe gepresst. Es kommt zu einer Schwellung des Gewebes (Ödem) und in der Folge weitet das Ödem das Rückenmark auf (sogenannte Syrinx oder Syringomyelie).
Bei 90 Prozent der CMI-Fälle handelt es sich um «inzidentelle Chiari-Malformationen», d.h. es treten keine Symptome auf. In den symptomatischen Fällen sind die typischen Zeichen Nackenschmerzen, die in den Hinterkopf ausstrahlen, sowie ein Taubheitsgefühl in den Fingern und Zehenspitzen etwa beim Husten, Niesen oder bei Anstrengung. Weitere, seltenere Symptome sind eine Verformung des Rückens (Skoliose), das Auftreten eines Wasserkopfes (Hydrocephalus) und Hirnnervenausfälle, die sich bemerkbar machen als Heiserkeit, Stummheit, Schluckprobleme, wiederholtes Verschlucken, abnormale Augenbewegungen, Muskelschwächen oder Schlafapnoe (Aussetzen der Spontanatmung während des Schlafens).
Die Symptome können sowohl im Kleinkindalter, aber auch erst in der Jugend beziehungsweise im früheren Erwachsenalter in Erscheinung treten.
Eine Syringomyelie zeigt eine grosse Bandbreite an Symptomen. In manchen Fällen treten gar keine Symptome auf. Es kann aber auch zu Schmerzen oder zum Ausfall des Schmerzempfindens oder Temperaturempfindens kommen. Ebenfalls bemerkbar machen können sich Gangunsicherheit, Probleme mit dem Wasserlösen oder Stuhlgang (Inkontinenz) und muskuläre Schwächen in den Armen oder Beinen. Seltener kann eine Syringomyelie zu Störungen der Atmung und zu Schluckproblemen führen.
Bei Verdacht auf eine CMI oder Syringomyelie wird eine Bildgebung mittels Magnetresonanztomographie (MRI) vom Kopf und der Wirbelsäule durchgeführt. Oft wird eine CMI oder Syringomyelie auch zufällig bei einer MRI des Kopfes festgestellt, doch sofern keine Symptome vorhanden sind, ist dieser Zufallsbefund nicht behandlungsbedürftig. Ebenfalls kann eine CMI bereits während der Schwangerschaft mit einem pränatalen Ultraschall festgestellt werden.
Falls eine CMI im MRI diagnostiziert wird, sollten möglich Ursachen hierfür (Tumor, tethered cord, Liquorverlusstsyndrom, Hydrocephalus etc.) ausgeschlossen werden. Dies kann man mit einer MRI-Untersuchung der gesamten spinalen Achse (Wirbelsäule und Kopf) machen. Bei einer symptomatischen CMI werden wir für Ihr Kind weitere Untersuchungen bei unseren Kolleg*innen der Augenmedizin, Hals-Nasen-Ohren-Medizin, Kinderneurologie und eventuell der Schlafmedizin veranlassen, um sicherzustellen, dass die Symptome durch die CMI verursacht werden.
Bei der Diagnose einer Syringomyelie müssen ebenfalls mögliche Ursachen mittels einer MRI-Untersuchung der gesamten spinalen Achse ausgeschlossen werden. Falls die Syringomyelie Symptome verursacht, werden wir Ihr Kind durch Kolleg*innen aus der Kinderneurologie und eventuell Kinderurologie und -nephrologen mitbeurteilen lassen, also von Spezialist*innen der Harnwege und Harntrakt sowie Nieren. Eventuell wird auch eine Ultraschalluntersuchung der Blase und/oder Niere notwendig sein.
Eine zufällig entdeckte CMI bedarf in der Regel keiner Therapie. Dabei kann der Krankheitsverlauf klinisch sowie mittels MRI nach einem Jahr nachkontrolliert werden. Falls die Situation stabil ist, braucht es in der Regel keine Nachkontrollen mehr.
Bei CMI-typischen Symptomen wird die chirurgische Therapie empfohlen. Das Ziel der chirurgischen Therapie ist die Entlastung der Ektopie im Übergang zwischen Hirn und Rückenmark. Dafür wird ein Teil vom Schädelknochen beim Übergang vom Hinterkopf zum Nacken (sogenannte extradurale Foramen Magnum Dekompression) sowie die hinteren Anteile der obersten Wirbelkörper im Nacken (sogenannte Laminektomie) entfernt, um zusätzlichen Platz für das Gehirn und dem Hirnstamm zu schaffen. Allenfalls ist es zusätzlich notwendig, die Hirnhaut (Dura) zu eröffnen, gegebenenfalls sogar die Kleinhirntonsillen zu verkleinern oder zu entfernen, um noch mehr Platz zu schaffen. Dies wird als intradurale Foramen magnum Dekompression bezeichnet. Durch diese Operationen wird der Druck im Kopf reduziert.
Das Kind wird unter Narkose in Bauchlage operiert. Es wird ein Schnitt am hinteren Schädel und oberen Nacken beim Übergang zum Rückenmark gemacht und dort ein Zugang zum Übergang eröffnet. Anschliessend wird ein Loch an der Hinterkante des Schädels gemacht (Kraniotomie) und der Dornfortsatz des ersten Halswirbelkörpers entfernt. Dann wird je nach Bedarf noch die Hirnhaut eröffnet, um die engen Platzverhältnisse zu erweitern. Wenn die Hirnhaut eröffnet wird, wird ein sogenannter Durapatch eingenäht. Dabei handelt es sich um eine künstliche Hirnhaut, die an die Schnittränder der echten, eröffneten Hirnhaut angenäht wird und die Hirnhaut somit wieder abdichtet. Anschliessend wird die Haut wieder verschlossen. Die gesamte Operation dauert ca. 2 bis 3 Stunden. Komplikationen einer Foramen magnum Dekompression sind selten (ca. 6%) und beinhalten Nacken- und Kopfschmerzen sowie das Risiko eines Hirnwasserlecks und einer Pseudomeningocele (Ansammlung von Hirnwasser unter der Haut).
Falls eine begleitende Syringomyelie vorhanden ist, kann diese durch die CMI-Operation ebenfalls behoben werden. Falls dies nicht der Fall sein sollte, besteht mit der Syringomyelie-Operation eine weitere Möglichkeit, die überschüssige Hirnflüssigkeit aus dem Rückenmark abzuführen. Dabei wird ein Abflussröhrchen (sogenannter «Syringo-Subarachnoidalen Shunt») in den Raum zwischen Rückenmark und Hirnhäute eingelegt (Subarachnoidalraum). Durch dieses Röhrchen kann die Flüssigkeit entweder in das Lungenfell abfliessen (sogenannter «Syringo-Pleuraler Shunt»)oder in den Bauchraum(sogenannter «Syringo-Peritonealer Shunt»).
Die Komplikationsrate einer Syringomyelie-Operation ist gering und tritt bei ca. 3-5% der Fälle auf. Komplikationen können durch Verletzungen des Rückenmarks auftreten, welche zu einem Ausfall der Temperatur- oder Gefühlsempfindung oder aber auch zu muskulären Ausfällen führen können. Ebenfalls kann es zu einem Leck im Abflussröhrchen kommen, durch welches Hirnwasser austritt. In seltenen Fällen kann das Abflussröhrchen auch verstopfen und eine erneute Syringomyelie auftreten, was eine weitere Operation notwendig macht.
Während des gesamten Spitalaufenthaltes wird Ihr Kind von unserem Team der pädiatrischen Neurochirurgie im UKBB betreut. Ihr Kind tritt einen Tag vor der Operation ein und wird durch unser Team nochmals untersucht. Am nächsten Tag wird Ihr Kind operiert und kommt anschliessend zur Überwachung auf die Intensivpflegestation.
Am Operationstag steht Ihnen eine Begleiterin vom Elternbegleitungsservice (BELOP) der Stiftung Pro UKBB zur Verfügung. Sie begleitet Sie, bis Ihr Kind eingeschlafen ist, und zeigt Ihnen, wo es wieder aufwachen wird. Zwischendurch hilft sie Ihnen, sich im Spital zurechtzufinden.
Sobald Ihr Kind keine engmaschige Überwachung mehr braucht, kommt es auf die kinderchirurgische Bettenstation (2. Stock, Station B). Während der gesamten Hospitalisation dürfen Sie bei Ihrem Kind sein und sich mit Fragen an das Team der pädiatrischen Neurochirurgie wenden, welches täglich zur Visite bei Ihnen und Ihrem Kind vorbeikommt. Sobald Ihr Kind sich von der Operation erholt hat, darf es wieder nach Hause.
Die Prognose der CMI ist schwer vorherzusagen und hängt von den Symptomen der Erkrankung ab. Manche Patient*innen zeigen nie Symptome, andere sind schwerstgradig eingeschränkt, und manche Patient*innen entwickeln erst sehr spät Beschwerden. Durch eine Operation kann bei ca. 80 Prozent der Patient*innen mit CMI eine Verbesserung der Symptome erreicht werden.
Ähnlich verhält es sich mit der Syringomyelie. Auch dort können die Symptome stark einschränkend oder nicht einschränkend sein und Patient*innen können sich nach einer Operation potentiell erholen. Je länger eine Syringomyelie besteht, desto geringer wird allerdings das Erholungspotential, da die Syringomyelie mehr Zeit hat, Schäden im Rückenmark anzurichten.
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Die Medgate Kids Line liefert schnell und unkompliziert medizinischen Rat, wenn es Ihrem Kind nicht gut geht. Rund um die Uhr steht Ihnen das medizinische Team unseres Partners Medgate telefonisch zur Verfügung.
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